Matur
GKG
Jahresbericht
22/23

Maturrede

Bald ist es so weit - Die Maturzeugnisse werden verteilt!
Sie haben es geschafft, in wenigen Momenten werden Sie Ihr Maturzeugnis in der Hand halten. Dazu gratuliere ich Ihnen herzlich!

Sie sind der zweite Jahrgang, der die Schullaufbahn nach der Schulharmonisierung mit der Matur beendet. Sechs Jahr Primarschule, drei Jahre Sekundarschule und mindestens vier Jahre Gymnasium liegen hinter Ihnen. Gerade Ihr 1. Jahr am GKG werden Sie wohl nicht vergessen. Kaum hatten Sie sich an der Schule eingelebt, wussten wo welche Lektionen stattfinden, hatten die Kennenlernphase mit Ihren Lehrpersonen abgeschlossen, mussten Sie zu Hause bleiben. Nicht etwa, weil Sie sich ungebührend verhalten hatten, nein wir alle wurden durch einen Virus zu einer Änderung unseres ganzen gewohnten Tagesablaufes und Soziallebens gezwungen. Von einem Tag zum anderen hatten Ihre Lehrpersonen die Aufgabe, Sie virtuell zu unterrichten. Eine Herausforderung für alle! Und als wir zurück in der Schule waren, folgten wöchentliche Covid-Informationen, in denen mitgeteilt wurde, was für die nächste Woche gilt, wie viele Infizierte wir an der Schule gerade haben oder wie es sich mit den Testen, Quarantäne und Schutzmassnahmen verhält. Zugegeben – ich bin froh (und bin sicherlich nicht die Einzige), dass diese Zeit vorbei ist! Ich bedanke mich an dieser Stelle bei Ihnen und Ihren Lehrpersonen für Ihr kooperatives Verhalten und die Ausdauer. Und ich bin sicher, dass Sie alle glücklich sind, wenigstens ein Schneesportlager erlebt zu haben! Viele weitere Spezialanlässe wie die Studienreise oder das Theaterprojekt konnten nicht wie angedacht oder geplant durchgeführt werden. Viele von Ihnen haben sicherlich – wenigstens innerlich – gejubelt, als klar war, dass Sie eine Maturreise ausserhalb der Schweiz durchführen können.

Die Wochen der Maturprüfungen werden sicherlich in Ihrer Erinnerung bleiben. Sie waren der erste Jahrgang, der die schriftlichen Prüfungen gemeinsam in der Halle 1 des Joggeli geschrieben hat. Vielleicht war der grosse Prüfungsraum eine gute Vorbereitung für folgende Prüfungen an einer Universität oder Hochschule. Während der mündlichen Maturprüfungen kletterte das Thermometer auf über 30° und sorgte dafür, dass nicht nur die Prüfungsfragen zu Schweissausbrüchen führten. Es hat sich gelohnt, Sie schliessen Ihre Schulzeit mit dem Maturitätszeugnis ab, das Ihnen viele Tore öffnen wird.

Seien Sie stolz auf das, was Sie erreicht haben, feiern Sie diesen Moment und nehmen Sie Ihre Zukunft in Ihre Hände, Sie haben alles, was Sie dazu brauchen. Verfolgen Sie Ihre Leidenschaft und Ihre Interessen, denn dort liegt Ihr Potential und Ihre Chance, Ihr Leben so zu gestalten, wie Sie das wünschen.

Nun übergebe ich das Wort an Herrn Ulrich Maier, den Leiter Mittelschulen und Berufsbildung des Erziehungsdepartments. Herr Maier kennt das Gymnasium aus erster Hand. Lange Zeit war er Rektor des Gymnasiums Muttenz und ist damit bestens vertraut mit den heutigen Feierlichkeiten. Seit fast 10 Jahren leitet er den Bereich Mittelschulen in unserem Kanton. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass er diese Aufgabe sorgfältig und mit enorm viel Engagement ausführt. Ich freue mich sehr, dass er heute hier ist. The stage is yours.

Sie haben die Prüfungen bestanden und sind jetzt Maturi und Maturae.

Heute ist ein unvergesslicher Tag für Sie, Sie erhalten Ihr Maturzeugnis und Sie lassen Ihre Schulzeit mit dem heutigen Tag hinter sich. Vor Ihnen tut sich eine wundervolle Zukunft auf. Ich habe das Privileg, zu diesem Anlass die richtigen Worte zu finden und Ihnen etwas Gehaltvolles mit auf den Weg in diese wundervolle Zukunft zu geben.

Das ist meine Aufgabe an Ihrem heutigen Freudentag, und ich muss Ihnen mitteilen: diese Aufgabe ist eigentlich unlösbar.

Warum diese Aufgabe unlösbar ist, möchte ich Ihnen mit meinen eigenen Erinnerungen illustrieren:

Vor 41 Jahren, im September 1982, habe ich meine erste Maturrede gehört. Ich war damals, genau wie Sie heute, frischgebackener Maturand und befand mich in einem nebulösen Zustand. Ich befand mich in einem Gefühlsnebel aus Freude und Erleichterung. Ich hatte ein paar zu kurzen Nächte hinter mir. Die Ungewissheit über meine Zukunft lag wie ein Schleier über allem und bereits war ein bisschen verfrühte Nostalgie im Anzug, Nostalgie über das Ende der Schulzeit, Wehmut über das unvermeidliche Auseinanderdriften unserer Gemeinschaft von Schülerinnen und Schülern.

In diesen Zustand der allgemeinen Gefühlsverwirrung hinein hielt Arthur Hafter, der damals Erziehungsdirektor des Kantons Thurgau war, seine Maturrede.

Und jetzt, liebe Anwesende, kommt die für mich fürchterliche Erkenntnis: Ich kann mich an kein Wort seiner Rede mehr erinnern, ich habe nicht die leiseste Ahnung, was das Thema der Rede war. Ich könnte nicht einmal sagen, ob sie gut oder schlecht war.

Ich habe inzwischen festgestellt, dass ich die Erfahrung einer gänzlichen Amnesie im Bezug auf die eigene Maturrede mit vielen anderen Menschen teile, wahrscheinlich auch bald mit Ihnen, liebe Maturi und Maturae. Genau deshalb ist die Aufgabe, vor der ich jetzt stehe, unlösbar: Was auch immer ich sage, es wird mir kaum gelingen, durch den Wattepanzer Ihrer gesteigerten Emotionalität zu Ihnen vorzudringen.

Also, was ist zu tun? Einige von Ihnen denken womöglich, ja dann soll er es doch vergessen, dann soll er es doch lieber sein lassen. Wenn die Übung ohnehin sinnlos ist, dann müssen wir ja auch nicht noch länger auf die Übergabe der Maturzeugnisse warten.

Das tue ich nicht, meine sehr verehrten Maturi und Maturae, dazu kennen Sie die Spielregeln der Schule zu gut. Ich war lange Lehrer, dann Rektor eines Gymnasiums und verbringe meine Zeit jetzt in einer Amtsstube im Erziehungsdepartement. Wenn so jemand Redezeit bekommt, dann nützt er diese gnadenlos aus. Ihre Geduld ist also gefragt.

Zudem sind Sie, die Maturandinnen und Maturanden, nicht das einzige Publikum am heutigen Morgen: Die Pauluskirche ist heute gut gefüllt mit stolzen Eltern und erleichterten Lehrerinnen und Lehrern und die – das wissen Sie sehr gut – die vergessen nicht so schnell – und wenn sie dann mal etwas vergessen, bestimmt das Falsche.

 

Liebe Eltern, Geschwister, Verwandte und Freunde

Hochgeschätzte Lehrerinnen und Lehrer

Liebe Schulleitung,

Geschätzte Mitglieder der Schulkommission

Liebe Gäste

Ich freue mich und bin geehrt, dass ich heute anlässlich der Maturfeier zu Ihnen sprechen darf. Auch Sie haben aufwühlende Tage hinter sich, aber wahrscheinlich etwas mehr geschlafen, sind etwas ausgeruhter, weshalb ich auf Sie als Publikum zähle.

Sie haben es vielleicht gemerkt, mein Thema heute, an diesem unvergesslichen Tag, wie ich ihn eingangs genannt hatte, ist das Vergessen. Ich möchte mit Ihnen ein paar Gedanken über das Vergessen und zum Vergessen teilen!

In der Schule, die Sie gerade erfolgreich hinter sich gebracht haben, spielt das Vergessen eine grosse Rolle.

Im schulischen Alltag wird viel vergessen: Es werden Hausaufgaben vergessen, es werden Entschuldigungen vergessen. Prüfungs- und andere Termine gehen auch bisweilen vergessen, manchmal geht auch der Anstand vergessen und manch einer oder eine vergisst sogar bisweilen, dass man sich überhaupt in der Schule befindet.

Eine gesteigerte Variante des Vergessens haben wir an den diesjährigen Maturprüfungen kennengelernt. So hat jemand unter Ihnen – der/die wohl nicht genannt sein will – schlicht vergessen, zur ersten mündl. Prüfungen zu erscheinen. Man kann sich fragen, wie es dazu kommen kann, dass solche Dinge, die doch wichtig und im letzten Beispiel sogar sehr wichtig im Schulleben sind, vergessen gehen können. Die Gedächtnisforschung hat eine Erklärung dafür. Das sogenannte Peters-Prinzip besagt, dass Vergessen selektiv geschieht. Ereignisse werden in Abhängigkeit von ihrem emotionalen Gehalt vergessen. Dinge, die uns gleichgültig sind, werden schneller vergessen als solche, die starke Emotionen hervorrufen. So könnte es ein, dass sich einige im Raum viel länger an den feministischen Streiktag am 14. Juni erinnern werden als an die Fragen aus der Französischmatura. Das würde dann bedeuten, dass vieles, was vergessen wird, eben denen, die es vergessen, eigentlich wurst ist. Was bei der vergessenen mündlichen Maturitätsprüfung ernsthafte Fragen aufwirft.

Kahlil Gibran hat diesen Aspekt des Vergessens positiv formuliert: „Vergesslichkeit ist eine Form der Freiheit.” Sie können also jedes Vergessen als Akt der Befreiung deuten. Ich bin jedoch der festen Überzeugung, dass vieles, was mit Vergessen entschuldigt wird, kein eigentliches Vergessen ist. Sondern wir benützen das Vergessen, das es durchaus braucht, um uns Neuem zuwenden zu können, als Ausrede dafür, dass wir etwas schlicht nicht getan haben oder nicht tun wollten.

In der Schule ist das Vergessen irgendwo zwischen einem Befreiungsakt und einer Generalentschuldigung für die unliebsamen Pflichten omnipräsent: wer morgens zu spät zur Schule kommt, kann sich beispielsweise auf die ganz grosse Überwindung der spiessbürgerlichen Zwänge berufen: die ultimative Befreiung von der Unkultur des Weckers, der die Schönheit unserer ganzheitlichen Existenz mit schrillen Tönen in hässliche Zeitintervalle zerlegt. Aber, liebe Schülerinnen und Schüler, wundern Sie sich nicht, wenn Ihnen das Ihre Lehrerinnen und Lehrer nicht abkaufen.

So sagte auch der erste deutsche Nachkriegspräsident, Theodor Heuss:

„Wer immer die Wahrheit sagt, kann sich ein schlechtes Gedächtnis leisten.“

Eine ganz andere Situation ist jedoch die Vergesslichkeit, die sich oft gerade in Prüfungen einstellt. Ich weiss genau, dass ich es eigentlich weiss, aber im Moment kann ich die benötigte Erinnerung nicht abrufen. Diese oder eine ähnliche Situation haben einige von Ihnen in den letzten Tagen wohl erlebt. Dieses Misslingen des Abrufens hängt damit zusammen, dass der Kontext, mit dem die benötigte Information gelernt wurde, nicht da ist. Sobald dieser Kontext wieder erscheint, im glücklichen Fall wenig später noch in der Prüfung, manchmal aber bedauerlicherweise leider zu spät, fällt es uns dann ein.

Der eben beschriebene Fall ist ein Beispiel dafür, welche zentrale Rolle das Vergessen beim Lernen neuer Dinge hat. Im Vergessen – häufig geschieht das übrigens im Schlaf – trennen wir das Bedeutsame vom Unwichtigen. So entstehen Erinnerungen, die sich zu Gewusstem verdichten. Dieser Reinigungs- und Ordnungseffekt ist überlebenswichtig, da ein Gehirn, das alles speichert, schlicht nicht funktionsfähig wäre. Eben deshalb ist auch das Powerpauken kurz vor Prüfungen so wenig effektiv, wir lernen zu wenig, da nicht genug Zeit zum Vergessen bleibt. Das mag paradox erscheinen, aber: Richtig lernen heisst eben auch das richtige vergessen.

Der grosse amerikanische Essayist Ralph Waldo Emerson ging sogar so weit, zu sagen:

“Education is that which remains behind when all we have learned at school is forgotten.”

Bildung wäre somit die höchste Form des Vergessens. Ich möchte aber betonen, dass der Zirkelschluss nicht zulässig ist. Wer alles vergessen hat, ist deshalb noch lange nicht gebildet.

So unabdingbar das Vergessen also ist, so schwierig ist es, bewusst zu vergessen. Es gibt viele Momente in unserem Leben, die wir gerne vergessen würden, peinliche Momente, traurige und schreckliche Erlebnisse, aber gerade die sind gemäss des oben erwähnten Peters-Prinzips eben nicht leicht zu vergessen, da sie mit einem grossen emotionalen Eindruck verbunden sind. So kann es vorkommen, dass es uns bei der Erinnerung an peinliche Momente nochmals durchschüttelt, als seien wir in den Moment der Peinlichkeit zurückversetzt.

Andere Dinge bleiben in unserer Erinnerung verhaftet, weil sie so skurril und speziell sind, weil sie aus dem gängigen Muster fallen: Anekdoten aus der Schulzeit leben davon. Ihre Lehrer und Lehrerinnen haben es geschafft, sich in ihrer Erinnerung festzusetzen, mit Aussprüchen und unerwarteter Schlagfertigkeit. Aber auch Sie haben sich mit ähnlichen Aktionen ins Gedächtnis der Lehrpersonen gespielt.

So habe ich von einer wunderschönen Anekdote aus der Zeit der Maturavorbereitung gehört: Ein Schüler – in diesem Fall natürlich nicht von Ihrer Schule –, der seine Lektürewahl für die mündliche Prüfung in Deutsch noch nicht gemacht hatte, wollte von seiner Lehrerin einen Tipp, welches Buch er denn noch wählen könne. Die Lehrerin war nicht um eine Antwort verlegen: “Dann lesen Sie doch den Faust.“ Nach einer kurzen Recherche in der Bilbliothek kam der Schüler zurück: „Wir haben nichts von Faust in der Bibliothek.“ - Eine Episode, die sich irgendwo zwischen skurril und peinlich im Gedächtnis des Gymnasiums festsetzen wird.

Aber es bleibt festzuhalten, dass wir unser eigenes Gedächtnis, unsere Erinnerungen, nur teilweise kontrollieren können, auch wenn wir das wünschen. Auf Befehl etwas zu vergessen, ist ebenso unmöglich, wie absichtlich tiefer zu schlafen. Noch schwieriger ist es, mit den Erinnerungen der anderen: Gerade aus dem Gedächtnis der anderen würden wir unsere peinlichsten Momente gerne löschen.

Wirklich bedeutsam wird diese Unmöglichkeit, die Erinnerung bewusst zu steuern dann, wenn es um Leid und Grausamkeit geht.

„Nur was ich vergessen soll, vergesse ich nicht.“

Mit diesem Satz spricht die Schriftstellerin Nelly Sachs das Leid und Grauen an, das der Holocaust über die Juden Europas brachte. Dass sich diese Gräuel nicht verdrängen lassen, ist für die betroffenen Menschen ein schreckliches Trauma. Gerade jetzt, wo die Zeitzeugen der Shoa immer weniger werden, sind wir in der Pflicht, niemals zu vergessen! Dass wir als aufgeklärte Gesellschaft diese Gräuel nie vergessen dürfen und sie schon gar nicht als ‘Vogelschiss in der Geschichte’ abtun dürfen, ist ein Imperativ für das Gedächtnis Europas!

Ein ganz anderer und bei weitem weniger leidvoller Aspekt des Umgangs mit dem Vergessen wird am Brauch der Maturzeitungen sichtbar. Eigentlich besteht ein Maturzeitung nur aus Erinnerungen und Bildern, die den Moment festhalten wollen. Ihre Maturzeitung ist also der Versuch, ihre Schulzeit festzuhalten, sie nicht zu vergessen.

Das passt in eine Zeit, die sich scheinbar mit aller Kraft gegen das Vergessen stemmt. Tagtäglich wird das Internet mit Millionen von Bildern, Blogs und Tags gefüttert, in denen Menschen den Moment für sich und für andere festhalten wollen. Die Cybergesellschaft arbeitet am totalen Gedächtnis. Alles ist immer und überall abrufbar, nichts geht vergessen. Was daraus entsteht, ist aber eine Ansammlung von Einzelheiten, denen das Ordnungsprinzip fehlt. So entsteht eben keine kollektive Erinnerung, sondern ein Chaos von Momentaufnahmen: Das Internet hat noch nicht gelernt zu vergessen – es schläft ja auch nie –, es hat noch nicht gelernt, das Wesentliche vom Beiläufigen zu trennen. Deshalb enthält das Internet zwar eine Unmenge an Fakten und Bildern, aber der Surfer und die Userin können Erkenntnisgewinn oder gar Bildung erst dann erlangen, wenn sie selektiv richtig vergessen.

Ihre Maturzeitung hat ein Ordnungsprinzip und Sie werden, wenn sie dieses in vielen Jahren wieder einmal zur Hand nehmen, in die Vergangenheit der jetzigen Gegenwart zurückgeholt werden. Einige Personen werden Sie dann wieder lebhaft in Erinnerung haben, bei anderen werden sie sich fragen, wer das wohl war und ob er oder sie wirklich mit ihnen zusammen das Gymnasium besucht hat.

Und dann wird wieder das Peters-Prinzip spielen. Es besagt nämlich, dass positive Emotionen die Dinge länger im Gedächtnis halten als gleichstarke negative. Wenn an Stammtischen die alten Zeiten – zum Beispiel im Militärdienst – beschworen werden, dann waren das eben die guten alten Zeiten, weil selektiv die neutralen und negativen Dinge zu Gunsten der positiven vergessen wurden. Ebenso beginnen Sie bereits heute mit Ihrer Maturzeitung am Mythos Ihrer Schulzeit zu bauen. Wir haben nichts dagegen, denn nicht alles, was sich in den letzten vier oder fünf Jahren in den heiligen Hallen des Gymnasiums zugetragen hat, muss der Nachwelt erhalten bleiben.

Auch die Schule selbst geht da nicht anders mit der Erinnerung um. Schon in wenigen Jahren werden Sie, der Jahrgang von 2023, die Schülergeneration sein, bei der alles noch so viel besser war. Zwar wurde ab und zu eine Maturprüfung vergessen und nicht alle Schüler wussten, dass der Faust von Goethe geschrieben wurde, aber trotzdem war zu Ihrer Zeit alles doch irgendwie besser. Zu Ihrer Zeit war das Gymnasium noch eine echte Talentschmiede.

Übrigens sind Erinnerungen dann besonders stark und lebhaft, wenn sie episodischer Art sind. Das bedeutet, dass viele Erinnerungen, gerade die aus dem eigenen Leben, mulimedial sind: Sie enthalten bildhafte Elemente, Szenen, die wie ein Film ablaufen, Geräusche und Klangfarben, oft auch Gerüche und vor allem Gefühle. Deshalb bleiben sie so lebhaft in unserem Gedächtnis verhaftet, denn sie sind mehrfach vernetzt. Ein typisches Beispiel dafür ist beispielsweise das Phänomen, dass sich viele Menschen genau daran erinnern, wo sie waren, als sie vom Attentat auf John F. Kennedy erfuhren oder welche Musik im Radio lief, als diese für die Nachricht über die Ereignisse von 9/11 unterbrochen wurde. Der episodische Kontext wurde mit dem Ereignis selbst, das erinnert wird, gespeichert. Auf die Schule bezogen wäre es deshalb von Vorteil, wenn die binomische Formel blau schimmern würde, wenn schwierige grammatische Zusammenhänge eindeutig in b-moll klingen würden oder wenn ein Pentameter nach Chanel No 5 duften würde.

Dies bringt mich zurück zu meiner eigenen Maturfeier, denn auch wenn die Maturrede von damals eben nicht in C-Dur klingt und auch nicht nach alten Socken riecht, so habe ich doch ein ganz klares Bild vor mir, wie ich die drei Holzstufen zur Bühne hochgestiegen bin, um mein Maturzeugnis in Empfang zu nehmen. Offensichtlich war ich damals nicht an meine Maturfeier gekommen, um die Maturrede zu hören – Sie heute wohl auch nicht. Deshalb werde ich in Kürze die Bühne räumen, damit auch Sie eine bleibende Erinnerung vom heutigen Tag mitnehmen können. Sie werden das Bild in Erinnerung behalten, wie sie heute an diesem speziellen Ort, im ehrwürdigen und wunderschönen Bau der Pauluskirche Ihr Zeugnis entgegennehmen können.

Bevor ich aber wirklich das Feld räume, darf ich noch etwas tun. Ich habe eine Vermutung, nämlich die, dass Regierungsrat Hafter damals vor 41 Jahren uns irgendwann in seiner Rede gratuliert hat zu unserer Matur, das gehört sich und gehört dazu.

Liebe Maturi und Maturae

Ich gratuliere Ihnen von ganzem Herzen! Ich wünsche Ihnen alles erdenklich Gute für Ihre Zukunft, machen Sie etwas aus Ihrer Matura und werden Sie glücklich!

Kurzum: Sie haben es geschafft, ich beglückwünsche Sie und ich bin überzeugt, es wartet eine tolle Zukunft auf jede und jeden von Ihnen. Ich wünsche Ihnen, dass sie das Richtige vergessen, damit Platz für die Zukunft, für neue Gedanken, Wünsche und Erkenntnisse geschaffen wird. Vergessen Sie aber nie, die Menschen, die heute hier hinter Ihnen sitzen, Ihre Familien und Lehrerinnen und Lehrer, denn die haben sie hierher begleitet und haben vieles vergessen, haben oft ein Auge zugedrückt, damit Sie heute Ihr Maturazeugnis in Empfang nehmen können.

Ich danke Ihnen für die Erinnerungen, die sie uns hinterlassen. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie diese Rede vergessen werden, denn das erscheint mir im Lichte des Gesagten genauso wahrscheinlich wie sinnvoll.

Der Apostel des guten Benimms, Freiherr von Knigge, hat gesagt: „Man soll nie vergessen, dass die Gesellschaft lieber unterhalten als unterrichtet sein will.“ Die Schule kann sich nicht an diese Maxime halten; ich konnte es heute auch nicht, deshalb danke ich Ihnen für Ihre ausserordentliche Geduld.

Matur im Fokus

Klassenbeste Notendurchscnitte

Klasse 4a

Tamino Jain schliesst ihre Matur mit einem Notendurchschnitt von 5.65 ab.

Klasse 4b

Julia Mahrer schliesst ihre Matur mit einem Notendurchschnitt von 5.62 ab.

Klasse 4c

Emilie Jakob schliesst ihre Matur mit einem Notendurchschnitt von 5.54 ab.

Klasse 4d

Rina Nordmann schliesst ihre Matur mit einem Notendurchschnitt von 5.54 ab.

Klasse 4e

Anouk Meyer schliesst ihre Matur mit einem Notendurchschnitt von 5.54 ab.

Klasse 4f

Marit Fuchs schliesst ihre Matur mit einem Notendurchschnitt von 5.73 ab.

Klassenbeste Maturaarbeiten

Jennie Duffy - 4a - Betreuung: Nathalie Spörri

Writing a musical

Julia Mahrer - 4b - Nicole Bort

Vergl. der Wirksamkeit von herkömmlichen Konservierungsstoffen mit der von nat. KS in Kosmetikcremes

Emelie Jakob - 4c - Betreuung: Reinhard Weiss

Das Wilberforce Pendel

Jael Kühne - 4d - Betreuung: Micha Stähli

Legasthenie – Lesen und Schreiben ist (k)eine Selbstverständlichkeit

Florian Stucki - 4e - Betreuung: Pascal Homberger

Bedürfnisse und Wunschlinien von Fussgänger:innen im Entwicklungsgebiet Binningerstrasse, Allschwil

Silvan Hugentobler - 4f - Betreuung: Kaspar Schürch

Südafrika in der Post-Apartheid: Gesellschaftliche geodemographische und infrastrukturelle Veränd.

Novartispreis

Amire Jakupi - 4d

Jedes Gymnasium in BS und BL darf eine Person nominieren, die den Novartis-Maturpreis erhält



Katharina Faber

Maturrede

Liebe Frau Renold, liebe Lehrerinnen und Lehrer, liebe Eltern, Grosseltern und Geschwister, liebe Maturandinnen und Maturanden, liebe Freunde.

Es ist uns eine besondere Ehre, diese Rede halten zu dürfen.

Wir, genauso wie Ihr, liebe Maturandinnen und Maturanden, gehören zur Generation der unbegrenzten Möglichkeiten. Man sollte meinen, dass wir uns jeden Wunsch erfüllen können; dass wir unsere Zukunft nach unseren Vorstellungen gestalten können; dass wir kaufen können, was wir wollen; dass wir wohnen können, wo wir wollen; dass wir reisen können, wohin wir wollen.

Gleichzeitig sehen wir, wie sich unser Spielraum stetig verkleinert. Globale Krisen stellen schon heute eine existenzielle Bedrohung für bestimmte Bevölkerungsgruppen dar. Noch scheinen sie weit weg, doch wir spüren, dass sie näher rücken und die existenzielle Grundlage aller Menschen gefährden. Krieg, Klimawandel, Artensterben, Pandemie, das alles findet mittlerweile vor unsere Augen statt. Die scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten unserer Generation werden auf diese Weise verschmälert und schwinden allmählich, es wird immer schwerer, wegzusehen.

Viele Generationen vor uns behandelten Probleme, die geografisch begrenzt waren. Das ist heute anders. Unsere Generation befasst sich mit Problemen, die den gesamten Planeten umspannen.
Wir wissen, dass unser Handeln hier nicht nur die Lebensgrundlage von Menschen anderswo beeinflusst, sondern unsere eigene Existenz in Frage stellt. Wir fühlen, dass die meisten unserer Entscheidungen moralisch belastet sind. Und wir ahnen, dass dieser Trend Teil eines Steigerungsprogramms ist.

Wir werden auf unterschiedliche Arten damit fertig. Die Verhaltensweisen des Menschen im Angesicht der Krise sind nicht neu:

Wir können uns an Bäume ketten und an Strassen kleben; gegen das Insektensterben und den immensen CO2-Ausstoss protestieren; gegen die Braunkohle und den Bau von Atomkraftwerken; wir können stur und kompromisslos sein; wir können uns im Namen der Krisen radikalisieren oder zumindest zivilen Ungehorsam leisten.

Wir können uns den Problemen aber auch entziehen, uns ihnen nicht zugänglich zeigen und einen Lebensstil praktizieren, der die Dramatik der Krisen leugnet. Wir können einen Rückzug ins Private vorziehen und als emotionalen Selbstschutz verkaufen.

Hier stehen sich nun zwei Charakterprofile gegenüber: Jene, die sich direkt mit der Problematik konfrontieren und daraus eine Pflicht zu handeln ableiten. Und jene, die jegliche Konfrontation vermeiden, die sich ohnmächtig und machtlos fühlen.

Die einen wie die anderen wissen, dass das was sie tun nicht vollumfänglich richtig und zielführend ist. Es geht mir auch nicht darum, das eine oder andere Verhalten moralisch zu legitimieren oder zu verurteilen.

Ich glaube aber, dass uns alle, ganz egal auf welcher Seite der Einzelne sich nun einordnet, ein Gefühl verbindet. Das Gefühl der inneren Zerrissenheit.

In philosophischen Nachschlagwerken stösst man neben einer religiösen Deutung des Begriffs auch auf eine zweite, die gut zum Lebensgefühl unserer Generation passt. Es ist darin die Rede von einem Zwiespalt des Individuums, einer Bedrängnis der Seele und einem inneren Konflikt zwischen Wünschen und Wirklichkeit.
Und damit ist unsere Situation doch sehr treffend beschrieben. Wir sind ja gerade so aufgewachsen, dass einerseits alles möglich ist und andererseits auf alles, was möglich ist, am besten verzichtet werden soll.
Wie rechtfertigen wir den Kauf eines neuen Iphones, den nächsten Skiurlaub, den Wunsch nach Spass und Unbeschwertheit?
Wir sehen lauter Widersprüche bei anderen, aber doch vor allem bei uns selbst. Und wir fragen uns, ob das nun einfach unser Schicksal ist und ein Leben lang so bleiben wird.

Ich denke, dieses Gefühl wird bleiben. Ich denke auch, dass die Zukunft es uns dahingehend nicht leichter machen wird. Aber nicht etwa, weil man sich womöglich schwer tut mit der eigenen Studienwahl oder weil Studentenwohnungen ist Zürich teurer sind, als man gedacht hat...sondern, weil sich die globalen Krisen, deren Auswirkungen wir heute bereits zu spüren kriegen, allen Prognosen zufolge verschlimmern werden.

Ich habe keine Lösung parat.
Ich sehe meine eigenen Widersprüche und Inkonsequenzen und stelle mir folgende Frage:
Welche Verantwortung erwächst aus der Tatsache, dass wir Teil der künftigen intellektuellen Elite des Landes sein werden?

Vielleicht, dass wir im Zentrum unseres akademischen Handelns gewisse Bedingungen stellen müssen; dass es unsere Aufgabe ist, egal für welches Fachgebiet wir uns nach der Schule entscheiden, an Lösungen mitzuarbeiten, Althergebrachtes zu hinterfragen bei anderen wie bei uns selbst, für unsere Ideen einzutreten und Innovation voranzutreiben; dass wir mutig in unserem Interesse, das ja letztlich auch das Interesse des Planeten ist, einstehen müssen.
Vielleicht ist das die Hoffnungsformel unserer Zeit und das, worauf uns die Schule vorbereitet hat: Probleme zu erkennen, zu reflektieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, um unseren Traum von einer besseren Welt zu verwirklichen.

Jon Jenal

Maturrede

«Alle Träume können wahr werden, wenn wir nur den Mut haben, ihnen zu folgen.»

In diesem Satz stecken zwei wichtige, ja essenzielle Zutaten für ein selbstbestimmtes und sinnerfülltes Leben.
-Einerseits die Hoffnung, denn ohne diese können wir nicht von einem besseren, gerechteren und nachhaltigeren Leben träumen. -Andererseits der Mut, den es braucht, um einem Traum nicht nur zu folgen, sondern eine Vision auch in die Realität umzusetzen.

Über beides möchte ich kurz sprechen.

Hoffnung:

Alles beginnt mit einer Hoffnung. Und mit Hoffnung meine ich nicht den blinden Optimismus, der die Realität zu ignorieren scheint. Hoffnung ist nicht, sich in einer Illusion der Wirklichkeit zu entziehen, denn Illusion und Vision muss man klar unterscheiden.

Hoffnung ist die Stimme in uns, die sagt, wenn wir nur kämpfen und voller Leidenschaft dafür arbeiten, dann wartet eine bessere Welt auf uns.

Hoffnung brauchen wir so sehr in diesen Zeiten von Klimaerwärmung, Krieg in Europa und Artensterben. In solchen Zeiten, die doch stark zum Pessimismus verleiten, brauchen wir eine junge Generation voller hoffnungsvoller Visionen und Träume.

Gerne möchte ich ein Beispiel aufzeigen, wie der Mensch sich mit Hoffnung, Tatendrang und neunen Erkenntnissen eine bessere und sicherer Welt schaffen kann. Dafür gehe ich zurück die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts, als die Wissenschaft die Welt mit der Erkenntnis aufschreckte, dass die Ozonschicht am Schrumpfen sei.

Die Prognosen waren düster. In wenigen Jahrzehnten sind die gesamte Ozonschicht verschwunden, die Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen und die globalen Ökosysteme fatal geworden, der Klimawandel um ein x-faches beschleunigt und die Polkappen abgeschmolzen.

In dieser Zeit der Schwarzmalerei kamen in Montreal Visionäre aus der ganzen Welt zu einem Kongress der Hoffnung zusammen. Was dort beschlossen wurde, war nichts anderes als ein komplettes und rasches Verbot der sogenannten FCKW-Stoffe. Das waren flüchtige und langlebige chemische Verbindungen, welche man als Hauptverursacher des Ozonschichtrückganges ausgemacht hatte. Das Verbot war nicht nur nötig, sondern auch äusserst wirksam.

Dieses Beispiel zeigt gut auf, wie wichtig es ist, auch in Angesicht grosser Schwierigkeiten oder Gefahren die Hoffnung nicht zu verlieren um aktiv und gezielt nach effizienten Lösungen suchen zu können.

Doch Fortschritt und Verbesserung brauchen mehr als nur Hoffnung. Und somit komme ich zur zweiten Eigenschaft, welche ich Ihnen heute mit auf ihren Weg geben möchte:

Mut:

Als Martin Luther King auf den Stufen vor dem Lincoln Memorial in Washington sagte: «I have a dream», hatte er nicht nur eine Vision, einen Traum für die Zukunft der Afroamerikaner in den USA.  Er hatte auch den Mut, seinem Traum zu folgen, in einem tiefgespaltenen Land in Zeiten tiefster Rassendiskriminierung, ständigen Morddrohungen ausgesetzt und im Kontext der Jim-Crow-

Gesetzen, welche die Rassentrennung in den Südstaaten gesetzlich legalisierten.

Nichts hielt Martin Luther King davon ab, für ein besseres Amerika, ja eine bessere Welt zu kämpfen. Bis zu seinem gewaltsamen Tod hat er seinen Mut, seine Entschlossenheit und seine Kühnheit für eine gerechte Sache zu kämpfen, nie verloren.

Und in Zeiten von Online-Hass und einer sich spaltenden Gesellschaft ist es essenziell, den Mut nie zu verlieren, den eigenen Träumen zu folgen, den eigenen Werten treu zu bleiben, egal wie stark der Gegenwind ist.

Wir wissen alle, dass uns grössere Probleme bevorstehen als womöglich je zuvor; Klimawandel, finanzielle Ungleichheit der Welt, Hebung der Meeresspiegel. Zusammen können wir diesen Problemen jedoch Einhalt gebieten, wenn wir kollektiv für unsere Visionen und Werte einstehen.

In den letzten vier Jahren haben wir die Kompetenzen erlernt, beim Erkennen und Lösen dieser ganz grossen Problemen ein Unterschied auszumachen. Und zur bestandenen Matura möchte ich sie alle ganz herzlich beglückwünschen!

Für das Leben, das vor ihnen steht, sage ich: lasst uns zusammen die Hoffnung haben, von einer besseren Welt zu träumen und an eine bessere Zukunft zu glauben. Und lasst uns zusammen den Mut haben am gleichen Strang in die Richtung dieser Zukunft zu ziehen.

Vielen Dank!



Bilder von der Maturfeier

Impressionen